„Anmut ist eine bewegliche Schönheit.“
Friedrich von Schiller
Helmut Kohl, der 16 Jahre lang als Kanzler die Bundesrepublik Deutschland regierte, war ein richtiger Pfundskerl. Mit seiner Leibesfülle und Größe stand er für Zuverlässigkeit und Machtbewusstsein. Heutzutage sind die meisten Führungskräfte auf der Welt ziemlich groß gewachsene Menschen, achten aber deutlich mehr auf ihr Gewicht als der Pfälzer Riese. Fast alle erfolgreichen US-Präsidentschaftskandidaten waren größer als ihre Gegenspieler. Auch in der Wirtschaft dominieren die Großen. Frank Appel, Vorstandschef der Deutschen Post, ist ein magerer Zwei-Meter-Mann. Daimler-Chef Dieter Zetsche ist gut 1,90 Meter groß, von gleicher Statur sind Michael Diekmann, CEO der Allianz, und Commerzbank-Chef Martin Blessing. Zurzeit lautet das Motto wohl: Groß und fit muss der Manager sein. Die Headhunterfirma Heidrick & Struggles fand heraus, dass neun von zehn deutschen Manager Sport treiben, ein Drittel davon regelmäßig und intensiv. Die anderen zumindest ein- bis zweimal die Woche. Es geht hier weniger um Gesundheit, sondern um das Wettbewerbs-Gen: Sport als Leistung, Wettkampf, Sieg.
Die Attraktivitätsforschung bestätigt den Trend. Menschen, die attraktiv sind, sei es durch einen sportlichen Körper, ein hübsches Gesicht oder beides, erscheinen uns kompetenter, intelligenter, führungsstärker. Man spricht hier von einem so genannten Halo-Effekt: Von der äußeren Erscheinung eines Menschen schließen wir auf seine inneren Eigenschaften.
Es gibt zahlreiche Ausnahmen, vor allem in der Politik. Berlusconi, Schröder, Merkel, Scholz, Putin, Sarkozy, – allesamt eher kleine Menschen. Sie haben sich durchgesetzt, obwohl – oder gerade weil(?) – sie körperlich nicht überragend sind. Vermutet wird hier, dass ihr Ehrgeiz besonders ausgeprägt sein müsse, ihr Wille, sich gegen Größere zu behaupten. Einmal an der Macht angelangt, kommt eine weitere Erkenntnis der Attraktivitätsforschung zum Tragen: Macht macht sexy. Von einer Erotik der Macht zu sprechen, liegt nahe. Mächtige Menschen wirken begehrlicher, ob sie nun klein oder groß sind. Dass eine Führungsposition mit einem Zuwachs an Attraktivität einhergeht, lässt sich wissenschaftlich belegen. So tendieren Mitarbeiter dazu, ihren Chef oder ihre Chefin attraktiv zu finden, selbst wenn er oder sie den gängigen Schönheitsidealen nicht entspricht. Eine hohe Vertrautheit und emotionale Bindung scheinen hier die Schlüssel zu sein. Je mehr wir uns mit dem Menschen über uns identifizieren, desto anziehender finden wir ihn.
Es ist kein Geheimnis: Menschen mögen Menschen, die wie sind? Gleich wie wir! Oder wir mögen Menschen, die so sind wie wir gerne sein möchten.
Ihre Monika Matschnig,
Expertin für Körpersprache, Wirkung und Performance
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