Zwischen Selbstinszenierung und echter Stimmigkeit
„Be a fake version of yourself – if possible, the best one!”
Authentizität gilt heute als eine der wichtigsten Eigenschaften für persönliche Ausstrahlung, beruflichen Erfolg und zwischenmenschliche Beziehungen. Führungskräfte sollen authentisch wirken, Social-Media-Profile sollen „echt“ sein, und auch im Privatleben wird Ehrlichkeit als Schlüssel zu Vertrauen und Nähe gepriesen.
Doch was bedeutet es wirklich, authentisch zu sein? Ist es überhaupt möglich, immer ganz „man selbst“ zu sein? Und wo liegt die Grenze zwischen gesunder Selbstoffenbarung und unkluger Naivität?
Dieser Artikel räumt mit Mythen rund um Authentizität auf, zeigt, warum Authentizität immer situationsabhängig ist und gibt Ihnen praxisnahe Tipps, wie Sie stimmig auftreten, ohne sich selbst zu verraten.
Der Strategieberater Jan Hiesserich und die Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld warnen vor einem blinden Festhalten am Authentizitäts-Ideal. Die Vorstellung, dass „das Unverfälschte“ automatisch zu Erfolg führt, sei fahrlässig.
Der Grund: Wir alle erfüllen im Alltag verschiedene Rollen – ob als Führungskraft, Elternteil, Freund oder Kollege. Jede Rolle bringt Erwartungen, Normen und Verhaltensweisen mit sich. Wer im Job zu viel von seinem Innenleben preisgibt, riskiert Missverständnisse, Konflikte oder gar Karriereschäden.
Praxisbeispiel: Eine Führungskraft, die alle Zweifel und Unsicherheiten offenlegt, wirkt vielleicht ehrlich – läuft aber Gefahr, an Autorität zu verlieren. Im Beruf geht es daher nicht darum, alles von sich zu zeigen, sondern die Facetten, die in der jeweiligen Rolle hilfreich sind.
Fazit: Authentizität bedeutet nicht, jede Emotion ungefiltert nach außen zu tragen, sondern stimmig zu handeln – innen wie außen.
Soziale Medien sind voll von vermeintlich „echten“ Einblicken in das Leben anderer. Plattformen, die „ungefilterte“ Fotos fordern, wollen den Inszenierungsdruck durchbrechen. Doch selbst ein spontanes Selfie ist immer noch eine Inszenierung.
Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre brachte es auf den Punkt:
„Der Mensch ist nicht ‘an sich’, sondern immer auch ‘für sich’ und ‘für andere’.“
Wir sind niemals völlig „wir selbst“. Unser Verhalten ändert sich je nach Kontext:
Das „authentische Ich“ ist daher keine feste Größe, sondern eine Momentaufnahme, die sich wandelt – durch Erfahrungen, Situationen und die Menschen um uns herum. Der Soziologe Helmuth Plessner formulierte es zugespitzt:
„Der Mensch ist von Natur aus künstlich. Authentisch sind nur Tiere.“
Trotz der Vielschichtigkeit gibt es klare Merkmale, an denen wir authentische Menschen erkennen. Sie wirken stimmig – das, was sie sagen, tun und ausstrahlen, passt zusammen.
Beispiel aus dem Arbeitsalltag:
Sie bekommen einen neuen Kollegen, der ständig plaudern möchte, während Sie konzentriert arbeiten wollen. Wenn Sie aus Höflichkeit behaupten, es störe Sie nicht, handeln Sie unaufrichtig – vor allem sich selbst gegenüber. Ein klares, respektvolles Gespräch zu Beginn hätte Missverständnisse verhindert und langfristig für ein besseres Miteinander gesorgt.
In vielen Unternehmen steht Authentizität weit oben in Anforderungsprofilen für Führungskräfte. Gemeint ist dabei weniger das kompromisslose Ausleben der eigenen Eigenheiten, sondern glaubwürdiges, vorbildliches Verhalten.
Eine Führungskraft gilt als authentisch, wenn sie:
Authentizität bedeutet nicht, in jeder Sekunde unverfälscht und „roh“ aufzutreten. Vielmehr geht es um Stimmigkeit: Passen Ihre inneren Werte zu dem, was Sie nach außen zeigen?
Prüfen Sie für sich:
Wenn Innen und Außen zusammenpassen, wirken Sie authentisch – und genau das bleibt bei anderen in Erinnerung.
Ihre Monika Matschnig,
Expertin für Körpersprache, Wirkung und Performance
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