So gewinnen Sie Vertrauen und Einfluss
Hören Sie wirklich zu? Oder warten Sie lediglich auf den Moment, in dem Sie wieder an der Reihe sind zu sprechen? Es mag provokant klingen, aber genau hier liegt der Kern eines der größten Missverständnisse in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Die meisten Menschen glauben, sie seien gute Zuhörer, doch in Wirklichkeit verbringen sie den Großteil eines Gesprächs mit der Formulierung ihrer eigenen Antwort – oft, noch bevor ihr Gegenüber den Satz beendet hat.
Dabei wäre Zuhören eine der einfachsten Möglichkeiten, zwischenmenschliche Beziehungen zu vertiefen, Konflikte zu entschärfen und sogar Macht zu gewinnen. Wer zuhört, erhält nicht nur Informationen, sondern auch Zugang zu Emotionen, Perspektiven und unausgesprochenen Bedürfnissen.
Das Problem ist nur: Echtes Zuhören ist anstrengend. Es erfordert Präsenz, Disziplin und die Fähigkeit, sich selbst für einen Moment zurückzunehmen.
Der Philosoph Martin Buber unterschied zwischen dem „Ich-Du“ und dem „Ich-Es“-Modus der Begegnung. Während das „Ich-Du“ eine wirkliche Beziehung zum Gegenüber aufbaut, betrachtet das „Ich-Es“ den anderen als Objekt – als Mittel zur Erreichung eigener Zwecke.
Nun stellen Sie sich selbst die Frage: In wie vielen Gesprächen befinden Sie sich tatsächlich im „Ich-Du“-Modus? Oder ist Ihr Zuhören oft lediglich ein Mittel zum Zweck, um Informationen zu extrahieren, einen guten Eindruck zu hinterlassen oder den eigenen Argumenten mehr Gewicht zu verleihen? Ihre Körpersprache verrät es. Wer nicht wirklich zuhört, zeigt dies unbewusst durch kleine Gesten: flüchtige Blicke auf das Handy, ein leichtes Zurückweichen, nervöses Fußwippen oder das subtile Anheben der Schultern, sobald die eigene Antwort bereits geformt wird. Ihr Körper signalisiert: „Ich bin zwar physisch anwesend, aber gedanklich schon zwei Schritte weiter.“
Eine Untersuchung der Harvard-Professorin Judith Glaser zur Neurochemie der Kommunikation zeigt, dass echtes Zuhören einen direkten Einfluss auf die biochemischen Prozesse im Gehirn hat. Menschen, die sich gehört fühlen, schütten verstärkt Oxytocin aus – das sogenannte „Bindungshormon“. Oxytocin wiederum senkt den Cortisolspiegel (Stresshormon) und fördert Vertrauen sowie Offenheit. Das bedeutet: Zuhören ist eine soziale Handlung mit neurobiologischer Wirkung.
Wer präsent ist, sendet nicht nur ein psychologisches Signal des Interesses, sondern beeinflusst auf hormoneller Ebene, wie sehr sich das Gegenüber in der Interaktion öffnet. Diese Erkenntnis ist für Führungskräfte ebenso relevant wie für zwischenmenschliche Beziehungen. Menschen spüren instinktiv, ob ihnen wirklich zugehört wird – und reagieren entsprechend. Wer den Raum hält, wer schweigt, wer bewusst Pausen setzt, erlaubt dem anderen, sich tiefer einzulassen.
Wie aber sieht aktives Zuhören konkret aus? Welche körperlichen Signale verraten, dass Sie wirklich präsent sind?
Setzen Sie sich mit einer Person zusammen und führen Sie folgende Übung durch:
In der Reflexion danach stellen viele fest, wie herausfordernd es ist, nicht sofort einzuhaken, nicht die eigene Meinung einfließen zu lassen oder nicht ins Lösen-Wollen zu verfallen. Diese Übung schärft das Bewusstsein dafür, wie sehr unser Zuhören oft durch unseren eigenen Rededrang überlagert wird.
Zuhören ist keine passive Handlung, sondern eine Form von Führung. Wer wirklich zuhört, lenkt Gespräche, ohne zu dominieren. Wer Präsenz zeigt, gibt anderen den Raum, sich zu entfalten. Und wer sich selbst zurücknehmen kann, erzeugt Vertrauen.
Es sind nicht immer die Lauten, die Einfluss haben. Manchmal sind es die, die innehalten – und den anderen wirklich hören.
Ihre Monika Matschnig
Expertin für Körpersprache, Wirkung und Performance
Bild: Planet Flem / istockphoto.com