Delikate Missverständnisse
Es ist schon viele Jahre her: Ich hielt einen Vortrag in einem pharmazeutischen Unternehmen. Unter den Zuhörern waren viele indische Mitarbeiter. Doch irgendwie erreichte ich das indische Publikum nicht. Also dachte ich während des Vortrags: „Monika, du musst ein wenig mehr Gas geben.“ Ich gestikulierte, bewegte mich, arbeitete intensiv mit meinem Körper – und doch schüttelten die Inder umso mehr den Kopf. Für mich wirkte es, als würden sie mir widersprechen und alles verneinen, was ich sagte.
Doch ich lag falsch. In Wahrheit signalisierten sie mir ihre Zustimmung. Inder wackeln nämlich mit dem Kopf, wenn sie etwas bejahen. Auf uns Mitteleuropäer wirkt das, als würde jemand ablehnen. An diesem Tag habe ich viel gelernt – es war der Anfang einer spannenden Reise in die Welt der internationalen Körpersprache.
Arbeiten Sie mit Partnern oder Kollegen aus anderen Ländern zusammen? Dann wissen Sie: Bestimmte Gesten können leicht zu delikaten Missverständnissen führen. Worauf sollten Sie achten?
Diese Geste ist weltweit sehr unterschiedlich belegt:
Eine kleine Geste – viele Bedeutungen.
In Mitteleuropa rufen wir jemanden zu uns, indem wir die Hand mit nach oben gerichteten Fingern bewegen.
In Spanien, Portugal, Süditalien und in einigen weiteren Ländern sieht die gleiche Geste jedoch so aus, als wolle man jemanden wegschicken – dort winkt man mit nach unten gerichteter Handfläche.
Zeige- und Mittelfinger werden V-förmig nach oben gestreckt. Auch hier entscheidet die Richtung der Handfläche:
Wenn ein Japaner mit der Hand vor dem Gesicht wedelt, will er damit keine Fliege verscheuchen. Diese Geste bedeutet „Nein“. Da ein direkt ausgesprochenes „Nein“ in Japan als unhöflich gilt, signalisiert man Ablehnung oder Schwierigkeiten eben so – oder durch ein hörbares Einziehen der Luft zwischen den Zähnen.
Auch bei Körperkontakt gibt es große Unterschiede:
Treffen also ein Südamerikaner und ein Nordeuropäer aufeinander, kann es leicht zu Missverständnissen kommen: Der eine fühlt sich abgelehnt, der andere bedrängt.
„Mit nacktem Finger zeigt man nicht auf andere Leute“ – das wird Kindern bei uns früh beigebracht. Trotzdem gehört das Fingerzeigen in westlichen Kulturen zum Alltag. In China, Indonesien oder Sri Lanka gilt es dagegen als absolutes Tabu.
In arabischen Kulturen sollten Sie niemals etwas mit der linken Hand überreichen. Diese gilt als unrein und ist hygienischen Funktionen vorbehalten. Daher gehört sie weder beim Essen auf den Tisch noch darf sie zur Nahrungsaufnahme benutzt werden.
Die nonverbalen Unterschiede aller Länder und Kulturen zu kennen, ist schlicht unmöglich. Was also tun?
Neben der Kenntnis kultureller Eigenheiten helfen diese Leitlinien, Missverständnisse zu vermeiden:
Typische Stolperfallen sind die O-Geste (Daumen und Zeigefinger bilden einen Ring), die in manchen Ländern „perfekt“ bedeutet, in anderen jedoch „nutzlos“ oder „Geld“. Auch die Daumen-hoch-Geste wird nicht überall positiv verstanden – in einigen Regionen ist sie sogar obszön. Weitere Beispiele sind das Victory-Zeichen, das je nach Handstellung Frieden oder eine Beleidigung signalisiert, sowie das Heranwinken, das in Südeuropa aussieht wie ein Wegschicken.
Gesten und Mimiken entwickeln sich aus kulturellen Normen, Traditionen und Werten. Während in Südamerika häufige Berührungen im Gespräch normal sind, empfinden Nordeuropäer dies als aufdringlich. Unterschiedliche Bedeutungen entstehen also durch kulturelle Prägung – was in einem Land positiv wirkt, kann woanders beleidigend sein.
Die wichtigste Regel lautet: Signale immer im Zusammenhang betrachten. Eine einzelne Geste ist selten eindeutig. Beobachten Sie Mimik, Gestik, Stimme, Situation und kulturellen Kontext gemeinsam. Fragen Sie nach, wenn Körpersprache und Worte nicht zusammenpassen. So vermeiden Sie Fehlinterpretationen.
1. Signale im Gesamtzusammenhang sehen.
2. Vorurteile vermeiden und offen bleiben.
3. Täuschungsmanöver erkennen, wenn Gestik und Sprache widersprüchlich sind.
4. Interkulturelle Begegnungen mit Empathie und Neugier gestalten.
5. Missverständnisse akzeptieren – jeder Mensch nimmt die Welt unterschiedlich wahr.
Informieren Sie sich vor Reisen oder Meetings über die wichtigsten kulturellen Gepflogenheiten Ihres Gegenübers. Zeigen Sie Respekt, setzen Sie Gestik und Mimik sparsam ein und bleiben Sie offen für Unterschiede. So gewinnen Sie Vertrauen und vermeiden Missverständnisse.
Absolute Sicherheit im Umgang mit internationaler Körpersprache gibt es nicht. Doch wer seine eigene Gestik und Mimik sparsam einsetzt, kulturelle Unterschiede respektiert und mit Neugierde statt Vorurteilen in Begegnungen geht, wird schnell Vertrauen gewinnen.
Ihre Monika Matschnig,
Expertin für Körpersprache, Wirkung und Performance